Die Geschichte Einer Hamburger Familie
Noch steht der Stammsitz der Hudtwalckers an der Elbchaussee, versteckt hinter einer riesigen amerikanischen Mamutkiefer. Aber es dauert nicht mehr lange, dann fallen die Mauern unter der Gewalt des Baggers, der Platz für Eigentumswohnungen schaffen muss. Persönlichkeit weicht der Anonymität.
Dieses Haus, im englischen Landhaus-Stil Ende des vorigen Jahrhunderts erbaut, mit dem heute regentristen, ockerfarbenen Anstrich, war das Domizil des Kaufmanns und Bildsammlers Heinrich Carl Hudtwalcker, dessen Erbe nach seinem Tode im Jahre 1952 an seine beiden Söhne überging.1 An Dr. Carl Heinrich, in Oslo geboren, heute Inhaber der norwegischen Firma Hudtwalcker & Co. An den jüngeren Bruder Olaf, heute in Barcelona zu Hause, Inhaber einer Galerie für moderne Kunst, Jazz-Spezialist, Entdecker der spanischen Flamenco-Tänzerin ”La Singla”.
Ihr Vater, hanseatischer Handelsherr in der fünften Generation, hatte sich früh in den Welthandel mit Tran eingeschaltet. 1905 war das Gründungsjahr seiner Zweigfirma am Oslo-Fjord. Acht Jahre lebte die Familie in Oslo. Der berühmteste Walfänger, der Norweger Christensen, verkaufte an einem kleinen Tisch in einer Kneipe der Hafenstrasse Tollbugaten für viele hunderttausend Kronen die im südlichen Eismeer gewonnenen riesigen Mengen Waltran. In Holzfässer gefüllt, brachten Segelschiffe den Waltran auf die Hudtwalcker-Insel im Oslo-Fjord, auf der heute noch die Tranfabrik der Familie liegt.
Vier tagen über dem Hafenlokal residiert der Nachfolger in demselben Kontor. Ein besonderes Erinnerungsstück ist der unscheinbare graue Lappen, auf dem seinerzeit der Vertrag mit dem Walfänger besiegelt wurde.
Norwegen wurde das Schicksalsland der Familie. Zwar lernte Heinrich Carl Hudtwalcker seine erste Frau auf einem Ball in Hamburg kennen. Aber sie war – eine lichte, blonde Schönheit – eine Pastorentochter aus Tysfjord bei Narvik, wo sie in polarer Einsamkeit aufgewachsen war, abseits vom grossen Lebensstrom.
Als die Familie nach Hamburg zurückkeherte, hatte Hudtwalcker in sic heine zweite Liebe entdeckt, die Liebe zum Sammeln von Bildern. Geschah es zufällig, dass er in Oslo eine Ausstellung von Grafiken des damals recht unbekannten Malers Edvard Munch besuchte? Nie hat er je ein Wort darüber verloren. Wie von einem unsichtbaren Zwang getrieben, kaufte er einige Grafiken und verschloss sie zu hause. So wurde er ein Sammler,
Fortan verlief die Spur seines Lebens zwischen seinem Kontor, damals in der Schwabenstrasse in Hammerbrook, und seinem Haus Elbchaussee 472. Tran und Munch waren Wegzeichen seines Lebens geworden.
Der Handel mit Tran begründete den geschäftlichen Erfolg des Hauses. Einer seiner Vorväter, Jacob Hinrich Hudtwalcker, hatte am 18.April 1743 den Grundstein gelegt. Mit den Worten seiner Zeit gesagt: Er beschloss sich zu etablieren. 1000 Mark hatte er sich enspart, 4000 Mark gab ihm sein Lehrherr aus der Reichenstrasse aus Dankbarkeit, und 5000 Mark steuerte sein Bruder aus Altona bei.
Die Anfänge waren mehr als bescheiden. Ein Sohn, der spätere Senator Johann Michael Hudtwalcker, hat darüber selbst berichtet:
”Die Handlung meines Vaters war eigentlich eine grosse Hökerei. Mein Vater verschrieb sich Tran und Herring von Holland oder kaufte heir und verkaufte grössenteils wieder – bei halben und viertel Tonnen – an hiesige Höker oder an kleine Krämer im Lauenburgischen und Mecklenburgischen oder an Fuhrleute, die derzeit in grosser Menge nach Hamburg kamen.
Er hatte einen Mittagstisch für 8 Groschen, lebte äusserst sparsam und verdiente sich bei diesem Gechäft so viel, dass er schon nach zwei Jahren, im April 1745, den Mut hatte, bei dem Todd es Bürgermeisters Anderson dessen Haus in der Catharinenstrasse für 26 000 Mark zu kaufen, worin er auch gestorben ist.”
Die erfolgreiche Verbindung der Hudtwalckers mit dem Tranhandel mach tein Spruch deutlich, der in der hanseatischen Handelswelt die Runde machte: ”In den Hudtwalckerschen Adern fliesst kein Blut, sondern Tran …”.
Hans Wegner
Hamburger Abenblatt, Donnerstag, 25.November 1971
Notiz
- Seine zweite Frau, Maria Ag. Hudtwalcker (1895 – 1966), hat, nach seinem Testament von 1948, alles ererbt.
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