Aus Gerhosam Auf Das Lebensglück Verzichtet
”Wir würden gern ein Damenkränzchen mit ihr veranstalten und ihr sagen, wie sehr sie ihre vielen Begabungen vernachlässigt hat.” Die so über eine Hamburgerin sprechen, die vor zweihundert Jahren gelebt hat, fühlen sich so fern nicht von dieser Margarethe Elisabeth Milow.
Schliesslich haben Dr. Rita Bake und Birgit Kiupel – Bibliothekarin und Historikerin die eine, Journalistin und Schulfunkautorin die andere – sich über ein Jahr lang mit ”Margarethe” ausgiebig beschäftigt.
Zwei Bände einer soeben im Hamburger Dölling und Galitz Verlag erschienenen Buchkassette (Margarethe E. Milow: Ich will aber nicht murren; Sach- und Gefühlslexikon von Abschied bis Zuckerbäker) sind das eindrucksvolle Ergebnis.
Ein Bescuch im Hamburgischen Staatsarchiv, bei dem Rita Bake bei ihrer allgemeinen Frauen-Spurensuche auf ein getipptes Manuskript aus dem Jahre 1906 stiess, war der Beginn der literarischen Unternehmung. Die Aufzeichnungen erwiesen sich nämlich als eine Abschrift des ersten Teils der Lebenserinnerungen jener Margarethe E. Milow, einer geborenen Hudtwalcker, die von 1748 bis 1794 gelebt hatte.
Authentische Dokumente von Frauen des 18. Jahrhunderts sind selten. Bürgersfrauen zumal hatten sonst wenig Neigung, sich ihr Leben schreibend noch einmal vor Augen zu führen.
Margarethes Erziehung und Jugend, so stellten die Herausgeberinnen schnell fest, wiessen durchaus auch Parallelen zu eigenen Erfahrungen auf. Birgit Kiupel: ”Das lief auch bei ihr über Liebesentzug, vom Vater zum Beispiel. Auch ihr wurde beigebracht, dass ein Mädchen sich in Liebesdingen abwartend und keinesfalls aktiv zu verhalten habe.”
Sie fühlte sich zu einem Angestellten ihres Vaters, der Tran- und Heringshändler war, hingezogen. Octav, der junge Mann, erwiderte die Gefühle, entsprach jedoch nicht den Standesvorstellungen von Margarethes Eltern.
16 Jahre, nachdem Margarethe zur Ehe mit dem Pastor Johann N. Milow gedrängt worden war, traf sie ihren Octav wieder. Er war ein arrivierter Kaufmann geworden. Margarethe ebenbürtig. ”Das ist die eigentliche Tragik ihres Lebens,” kommentiert Birgit Kiupel.
Als Pastorenfrau zog Margarethe Milow acht Kinder gross, lernte, sich mit ihrem Mann zu arrangieren, zwischen Liebe und Freundschaft zu unterscheiden und versuchte, mit dem schmalen Kirchen-Salär auszukommen. Mit 56 Jahren starb sie nach einer schmerzhaften und nutzlosen Brustkrebs-Operation.
Nichts Besonderes, dieses Leben im Hamburg des 18. Jahrhunderts? Mag sein – der eigenhändige Frau macht jedoch diese Epoche lebendiger, als ein noch so informative rund wissenschaftlich abgesicherter Aufsatz es könnte.
Zum Clou wird die schöne usgabe jedoch durch das beigefügte Lexikon. Hier werden detailliert Dinge erklärt, die für Margarethe selbstverständlich waren: vom Geburtsstuhl bis zum Ballkleid. Hinzukommen ausführliche Begriffserklärungen, die die Erlebnis- und Gefühlswelt des 18. Jahrhunderts einzufangen suchen. Eine Fleissarbeit, die sich für jeden Leser auszahlt. Zu murren gibt es da nichts.
Joachim Kronsbein
Hamburger Abenblatt, Montag, 14.Dezember 1987
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